LITERATUR IM JAGDSCHLOSS



Sonntag,
9. März 2008
19.30 Uhr
Jagdschloß Springe






ANNEGRET ARNDT
Literarischer Salon

 

„Leben wir noch ein paar Kataströphchen weiter!“

Rahel Varnhagen (1771 - 1833)
und die literarischen Salons im alten Berlin

Rahel Varnhagen eröffnet 1790 ihren ersten Salon in einer Dachstube am Berliner Gendarmenmarkt. Mit sprühendem Geist und Witz zieht sie schon bald die unterschiedlichsten Persönlichkeiten aus Aristokratie, Diplomatie, Kunst und Literatur an ihren Teetisch. In einer umfangreichen Korrespondenz steht Rahel mit vielen großen Geistern dieser Epoche in Verbindung.

In Form einer literarischen Collage bietet Annegret Arndt den Zuhörern ein farbiges, spannungs- und abwechslungsreiches Bild aus dem Leben der Saloniere, ihren Briefen und Begegnungen.

Hierbei lassen fiktive Elemente Rahel Varnhagen, ihre Freunde, die Atmosphäre der Salons und das Milieu im alten Berlin auf besondere Art lebendig werden.

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Deister-Anzeiger, 11. März 2008:

Literaturabend hätte mehr Zuhörer verdient
Annegret Arndt porträtiert beim Kulturkreis Springe die Schriftstellerin Rahel Varnhagen

VON GERT DEPPE

SPRINGE. In den Enzyklopädien wird sie relativ nüchtern als Vorkämpferin für die Gleichberechtigung der Juden und Frauen bezeichnet, die sich außerdem mit ihren literarischen Salons um das geistige Berlin des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts verdient gemacht hatte.

Was für eine umtriebige, intelligente und auch humorvolle Persönlichkeit Rahel Varnhagen war, demonstrierte Annegret Arndt in ihrer literarischen Collage im Jagdschloss außerordentlich plastisch. Die gebürtige Hamburgerin skizzierte auf Einladung des Kulturkreises ein literarisches Energiebündel sondergleichen und nahm ihr Publikum im bedauerlicherweise nur mäßig besuchten Kaisersaal überdies mit auf eine spannende Zeitreise.


Skizzierte das gesellschaftliche Berlin zu der Zeit Rahel Varnhagens: Annegret Arndt.
Deppe

Schnell wurde deutlich, welche Bedeutung die 1771 in Berlin geborene jüdische Literatin und ihre nach französischem Vorbild gegründeten literarischen Salons für das geistige Klima in der Hauptstadt Preußens hatten. Philosophen, Schauspieler, Musiker, Aristokraten und natürlich vor allem Schriftsteller nahmen an den Teetischen Rahel Varnhagens Platz und tauschten sich aus - auch als diese noch Levin mit Nachnamen hieß. Fichte, Hegel, Schiller, Heine, Brentano, Grillparzer, Mendelssohn Bartholdy und die Humboldt-Brüder bildeten nur einen bescheidenen Auszug aus einer imposanten Gästeliste.

Varnhagen, die „weder groß noch schön, aber fein und zart und gebildet war", wurde in dem rund einstündigen Porträt nicht nur als Förderin der Künste vorgestellt. Annegret Arndt beleuchtete auch die weniger schillernden Seiten eines Künstlerlebens, in dem neben den Musenküssen durchaus auch irdische Zuneigungen Bedeutung erlangten. Immerhin: Bei der dritten Verlobung klappte schließlich, auch wenn die Beziehung zu Karl August von Varnhagen Ense „nicht unbedingt von Liebe, aber von großem Respekt und tiefer Freundschaft" geprägt war. Dass Annegret Arndt auch, einen Eindruck des politisch und gesellschaftlichen Berlins, zur Zeit Rahel Varnhagens vermittelte, rundete ihre klug konzipierte und daher kurzweilige wie facettenreiche Collage sinnvoll ab. Ein sehr gelungener Vorfrühlingsabend, der sehr viel mehr Zuhörer verdient hätte.

Neue Deister Zeitung, 11.3.2008:

Neue Deister-Zeitung, 11.03.2008:

Wo sich Heine, Schlegel und Humboldt trafen
Kulturkreis-Lesung im Jagdschloss: Arndt berichtet über die literarischen Salons der Rahel Varnhagen

Springe (jr). „Ich freue michüber jeden, der gekommen ist": Trotz der eher geringen Resonanz begrüßte Kulturkreis-Chefin Karin Müller-Rothe gut gelaunt die 60 Gäste, die zur Kulturkreis-Veranstaltung in den Kaisersaal gekommen waren. Keiner der Anwesenden dürfte seine Teilnahme an der „literarischen Collage" von und mit Annegret Arndt bereut haben. Anders als viele Abonnenten ihr Nichterscheinen.


Aus Zuhörern werden Gesprächspartner: Varnhagen-Kennerin Annegret Arndt (Mitte) unterhält sich nach der Lesung mit Gästen. Foto: jr

Kein musikalisches, aber dennoch ein kulturelles Thema stand auf dem Programm: Der literarische Salon der Rahel Varnhagen. „Klug wie die Sonne und dabei herzensgut" sei sie gewesen, zitierte Arndt einen Zeitgenossen. Doch Rahel habe es nicht genügt, als schöne Seele und Muse gesehen zu werden. Die Beziehungen der gebildeten, gesellschaftlich unangepassten Rahel Levin (später Varnhagen) seien oft kompliziert oder unbefriedigend gewesen. Nach zwei gelösten Verlobungen heiratete sie den 14 Jahre jüngeren Carl August Varnhagen von Ense und konvertierte zum Christentum.

Rote Kurzhaarfrisur, aufrechte Haltung und ein manchmal irritierendes Schmunzeln: Auch Arndt dürfte nicht zu den harmlosen Frauenzimmern gehören. Die gebürtige Hamburgerin verstand es anschaulich-unterhaltend, die biografischen Daten ihrer Protagonistin und etliche Fakten über das Leben im Berlin des beginnenden 19. Jahrhunderts zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden. Dass Varnhagen, älteste Tochter eines jüdischen Juwelenhändlers und Geldverleihers, keine einfach gestrickte Frau war, belegte Arndt mit kurzen Anekdoten. Und mit Zitaten aus deren Korrespondenz - 10 000 Briefe soll sie geschrieben haben. „Mein Leben soll zu Briefen werden" war denn auch das Credo der Vielschreiberin.

Keine Ansammlung tumber Möchtegernpoeten oder gesellschaftlicher Versager traf sich bei Varnhagen zum Tee, zuerst in der Jäger- und später in der Französischen Straße. Ganz im Gegenteil. Als Fluchtpunkt und „exterritorialen Raum" bezeichnete Arndt diese Salons. Sonst streng getrennt auftretende Gruppen wie jüdische und christliche Bürger oder Mitglieder des Adels kamen hier zum Austausch zusammen.

Mag sein, dass Klatsch und Tratsch bei den geistreichen Gesprächen und kritischen Auseinandersetzungen nicht auf der Strecke geblieben sind, an denen sich neben Brentano, Grillparzer, von Arnim, Tieck und Schlegel auch Alexander von Humboldt beteiligte. Überwiegend soll es allerdings um Kultur und Kunst, um Ereignisse auf den Berliner Theaterbühnen oder um Opernpremieren sowie um Philosophisches gegangen sein, recherchierte Arndt. „Und immer wieder um Goethe, den Varnhagen persönlich kannte und schätzte."

Geschickt moderiert wurden diese Unterhaltungen von der klugen Gastgeberin. Manch unbekannter Literat fand hier sein erstes Publikum. Zu ihnen gehörte auch Heinrich Heine, der sich allerdings später mit einem bissigen Spottgedicht über „ästhetische Herren" und deren „Damen von zartem Gemüt" bei literarischen Teegesellschaften lustig machte.

Hannoversche Allgemeine Zeitung, Deister-Anzeiger, 11.3.2008:

 

Gestaltung: Andreas Erbslöh