LITERATUR im Amtsgericht Springe

 



DONNERSTAG
17. MÄRZ 2011
19.30 UHR
HISTORISCHER SAAL
AMTSGERICHT SPRINGE
ZUM OBERNTOR 2

© Foto: Cordula Schlegelmilch

HANS MARTIN RITTER, BERLIN | ABENTEUER: THEATER

Geschichten von
— Abstürzen
Ausrutschern
Verwirrungen und
blinder Balance
zwischen Schein und Sein

EINE LITERARISCHE PERFORMANCE
Heinrich von Kleist | Über das Marionettentheater
Alfred Polgar | Muz
Rainer Maria Rilke | Maskenspiele (Malte Laurids Brigge)
Robert Walser | Kleines Märchen
George Tabori | Blut und Sand

+++

Georg Heym | Der Tod des Schauspielers
Bertolt Brecht | Die Bestie
Alfred Polgar | Natur und Kunst


Das Programm spielt mit der Frage Was ist wirklich im Theater - und was ist Schein? Natürlich beantwortet es diese Frage nicht, sondern läßt sie offen. Aber da die einzelnen Texte diese Frage immer wieder von einer anderen Seite her stellen, bekommt sie selbst ein klarer umrissenes, fast abenteuerliches Gesicht: sie gibt sich genauer zu erkennen, und man sieht, worauf sie sich jeweils richtet: etwa auf die innere Präsenz und „Grazie" im Augenblick des Handelns (Kleist), auf das ununterscheidbare Ineinanderwachsen von Maske und Gesicht (Rilke), auf den Widerspruch zwischen Kunstfigur und authentischer Person (Brecht), auf den realen Tod auf der Bühne (Heym), usw.
PROGRAMM










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Hans Martin Ritter war langjährig Professor an der Universität der Künste Berlin und der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Er gehört zu den Begründern der Theaterpädagogik in Deutschland. Ritter ist zugleich Sprechwissenschaftler und einer der maßgeblichen Vertreter für das Gestische Sprechen in der Schauspielpädagogik. Daneben trat und tritt er als Bühnensprecher und -sänger sowie als Soloschauspieler mit Szenischen Monologen auf und ist als Pianist, Liedbegleiter, Vocal Coach und Regisseur tätig. Er lebt in Berlin.

Publikationen u.a.: Das gestische Prinzip (1986), Wort und Wirklichkeit auf der Bühne (1997/2003), Sprechen auf der Bühne (1999/2009), Der Schauspieler und die Musik (2001), Theater-Sprache-Musik. Grenzgänge zwischen Kunst und Wissenschaft (2009)

ÜBER DEN KÜNSTLER

Musil - Ein Schöpfungsprozeß vollzieht sich. Das ist kein Lesen, das ist kein Rezitieren, das ist ein Entschlüsseln des Worts und seiner ganzen gedanklichen Vielheit mit der Stimme.

Brecht - Vom Wust bereits gehabter Brecht-Abende hebt sich Ritter ebenso eigenwillig wie gekonnt ab

Kafka - Der Bau: Als Ritter über die Geräusche in seinem Bau ängstlich reflektierend wacht, könnte man eine Stecknadel im Raum fallen hören.

Die Nachtwachen des Bonaventura - H.M. Ritter gelingt ... mit konzentrierter Gestik eine hochexpressive Darstellung.

Heine - H.M.Ritter ... schuf ... ein virtuoses Theatersolo, einen intensiven Monolog voller Witz, Ironie, dazwischen mit Momenten tiefer Traurigkeit, die durch die prächtig suggestiven Sprachbilder leuchteten.

Die Amsel im Schönberg: Musil und Musik - Wieder einmal hatte der Kunstraum Tosterglope zu einem besonderen Abend eingeladen, dieses Mal mit dem Berliner Trio Quodlibet und dem Schauspieler Hans Martin Ritter. Auf dem Programm stand eine spannende Begegnung zwischen der Musik Arnold Schönbergs (1874-1951) und der Dichtung Robert Musils (1880-1942). (...) Eine Brücke zu der Musik schlug an diesem Abend der Schauspieler Hans Martin Ritter, der die Erzählung ‚Die Amsel‘ vortrug. Dabei (...) geschah es, dass plötzlich Ideen, Bilder und Geschichten im Kopf des Hörers entstanden, und die Amsel (...) war auf einmal in der Musik Schönbergs gegenwärtig. Man könnte sagen: „Die Amsel sang im Schönberg", als ob sich die Musik dem Text von Musil öffnete und umgekehrt. Dass dieser Eindruck entstehen konnte, ist vor allem Hans Martin Ritter zu verdanken, der mit seiner eindringlichen Stimme und faszinierenden Präsenz die Erzählung bildhaft und fesselnd vortrug.

REZENSIONEN
 

 

Amtsgericht Springe
17.3.2011

Foto: Andreas Erbslöh

Publikum erlebt Balanceakt zwischen zwei Welten

SPRINGE. Dicht an dicht sitzen etwa 75 Besucher im Saal des Amtsgerichts Springe. Doch es war keine Gerichtsverhandlung, die dieses große Interesse weckte, sondern ein Auftritt des Künstlers Professor Hans Martin Ritter. „Wir haben uns sehr gefreut, dass wir diesen ganz besonderen Gast für unsere Lesungsreihe gewinnen konnten", sagte Karin Müller-Rothe, Vize-Vorsitzende des Kulturkreises Springe am Donnerstagabend.

Der in Berlin lebende Ritter gilt als einer der besten gestischen Sprecher. Seit mehr als 20 Jahren bildet er Schauspieler aus. Andreas Erbslöh, Vorstandsmitglied des Kulturkreises, sagte: „Er bildet auch Darsteller für die ARD und das ZDF aus."

Bei seinem Auftritt in Springe trug Ritter ausgewählte Texte mehrerer Schriftsteller vor, unter anderer von Rainer Maria Rilke. Heinrich von Kleist und Bertolt Brecht. Im Mittelpunkt stand die Frage: Was ist Wirklichkeit im Theater - und was ist Schein? „Das Theater ist ein besonderer Balanceakt zwischen zwei Welten", sagte Ritter, „zwischen der Figur in einer Geschichte und dem Schauspieler, der diese verkörpert". Um dies dem Publikum deutlich zu machen, trug Ritter alle Texte frei vor. Diesen überzeugenden Auftritt belohnten die Besucher immer wieder mit lautstarkem Beifall. chk
Hannoversche Allgemeine Zeitung, Deister-Anzeiger
19. März 2011
 
Hans Martin Ritter und seine literarische Performance über das Theater

von Irmgard Richter-Brown


Der Kulturkreis Springe hatte Hans Martin Ritter und uns am 17. März eingeladen. Er sollte uns das „Abenteuer: Theater“ näher bringen, und viele, viele kamen. Der Saal des Amtsgerichts war bis auf den letzten Platz besetzt.

Ich konnte mir unter einer „literarischen Performance“ so recht nichts vorstellen. Wird es eine Lesung sein, oder wird Theater gespielt? Ich war gespannt! Und dann betrat Hans Martin Ritter aus Berlin den Saal - Professor, Theaterpädagoge, Sprechwissenschaftler, Bühnensprecher und -sänger, Pianist, Regisseur, Soloschauspieler ...... Graue Hose, graues Hemd, schwarzes Jackett, Brille und, als einziges Requisit, ein Buch in der Hand.

Also doch eine Lesung, dachte ich. Er stellte sich vor die Schranken des Gerichts, gab uns eine kurze Einführung, öffnete das Buch und fing an zu lesen - drei bis vier Sätze nur. Dann legte er das Buch zur Seite, und alles, was in den nächsten fast zwei Stunden folgte, entsprang nur seinem Kopf. Einfach großartig!

Er begann mit „Über das Marionettentheater“ von Heinrich von Kleist. Er war der Tänzer und die Marionette, seine Hände hingen an Bindfäden, er machte den schwierigen Text so lebendig, dass alle gebannt an seinen Lippen hingen. Es ging um die innere Präsenz und „Grazie“ im Augenblick des Handelns. Danach tänzelte er graziös als die kleine „Muz“ von Alfred Polgar über die „Bühne" des Gerichts. Und dann Rainer Maria Rilkes „Maskenspiele“, worin Gesicht und Maske ununterscheidbar ineinanderwachsen. Die Figur verliert, verkleidet, sich selbst hinter der Maske, bis sie bewusstlos zusammenbricht.

Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so still war es im Saal. Fast atemlos lauschten wir der dramatischen Geschichte und sahen gebannt dem wunderbaren Spiel des Mannes zu, der vor dem imaginären Spiegel seine Verwandlungen vollzog. Es folgte ein „Kleines Märchen" von Robert Walser und dann „Blut und Sand“ von George Tabori. Letzteres spielt im Zirkus und ist komisch. Ritter und Tabori brachten das Publikum zum Lachen über den kleinen Jungen, der sich vor Aufregung in die Hose macht, als die Trapezkünstlerin auf die Plattform klettert. Beim Salto Mortale stürzt sie ab und kracht durchs Netz. Für Jahre glaubt der Junge, dass es im Zirkus immer so ist: „Eine Frau klettert hoch, lächelt, die Zuschauer machen sich in die Hose, sie schwingt los und fällt, jede Nacht, um dort unten in einer Pfütze von Blut und Sand zu liegen“.

Nach der Pause trug Hans Martin Ritter das traurige Gedicht „Der Tod des Schauspielers“ vor, das den realen Tod auf der Bühne zum Inhalt hat. Es wurde geschrieben von dem leider so früh verstorbenen Georg Heym. Danach folgte „Die Bestie“ von Bertolt Brecht, wieder eine schauspielerische Glanzleistung von Ritter. Hier „spielte“ er in verteilten Rollen in einem russischen Filmstudio den Filmschauspieler, Regisseur und armen Mann aus dem Volke, der dem Despoten, der Bestie, ähnlich sieht. Es geht im Wesentlichen um den Widerspruch zwischen Kunstfigur und authentischer Person.

Das Abenteuer: Theater endete mit einer kurzen und wieder lustigen Geschichte von Alfred Polgar „Natur und Kunst“, worin eine schwarz-weiße, lebendige Kuh in einer Kunstkulisse eine Rolle spielte. Der Beifall wollte nicht enden, so dass uns Hans Martin Ritter noch eine schöne, poetische Geschichte von Hans Christian Andersen schenkte. Sie handelte von dem tragisch verliebten Clown Pulcinella, über den die Menschen lachten, auch wenn er weinte.

Danke, Hans Martin Ritter, für diesen wundervollen Abend!
Bericht einer Zuschauerin

http://www.myheimat.de vom 20.03. 2011
 

Gestaltung: Andreas Erbslöh